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Porträt Andreas Bourani

Der singende Kirschjoghurt

Seit der Fußball-WM ist Andreas Bourani ein Star. Das macht es für den Berliner etwas schwieriger, das zu tun, was er am liebsten tut: alle glücklich zu machen. (Zitty 20/2014)

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InitialAcourier72 ndreas Bourani wird diesen Text nicht lesen. Weil ihm egal ist, ob andere Menschen seine Musik mögen oder nicht. Ich lasse doch den Durchschnitt nicht entscheiden, sagt er, wie meine nächste Platte wird – aber wenn du Glück hast, dann finden das viele Leute gut. Bourani hat über 40.000 Follower auf Twitter und knapp 98.700 Fans auf Facebook. Er hat Glück. Ihn finden viele Leute gut. Auch Universal, die größte Plattenfirma der Welt.

Das war nicht immer so. Noch kurz vor der WM war er irgendein Singer/Songwriter, einer von denen, die als Junge Milde diffamiert wurden. Mittlerweile war sein Song „Auf uns“ auf Platz eins der deutschen Charts. Bekam Platin für über 300.000 verkaufte Exemplare. War offizieller WM-Song der ARD. Und das Lied zur Kampagne „50 Jahre Aktion Mensch“.

Nun ist Bourani das, was man einen Star nennt. Er hat bei Facebook die Funktion ausgeschaltet, dass ihm jeder Nachrichten schreiben kann. Er singt beim Sommerfest des Bundespräsidenten, beim Deutschen Radiopreis, beim Bundesvision Song Contest. Und vor 400.000 Menschen auf der Fanmeile am Brandenburger Tor nach der WM neben Atemlosdurchdienacht­schlagerstar Helene Fischer und Einsternderdeinennamenträgt-DJ Ötzi.

Und es geht immer so weiter. Im September hat er einen einzigen freien Tag. So richtig erklären kann er sich den Erfolg von „Auf uns“ nicht. Warum im Supermarkt alle ins Kühlregal greifen und den Kirschjoghurt kaufen, das weiß man auch nicht, sagt er, den mögen die halt gerade. Bourani, der Kirschjoghurt unter den deutschen Musikern, bestellt einen Raukesalat mit Büffelmozzarella und Kirschtomaten an Tomaten-Basilikum-Vinaigrette. Er kommt direkt aus dem Tonstudio ein paar Straßen weiter und zwanzig Minuten zu spät ins Nola’s am Weinbergpark, ein Schweizer Restaurant mit Panoramaterrasse in Berlin-Mitte. Wenn er spricht, ist er ganz da. So fällt beinahe gar nicht auf, dass seine Sätze auch in einem Kalender stehen könnten: Wenn du was erzählen möchtest als Musiker, dann musst du das Leben studieren. Müßiggang gibt Kraft, weil man das Bewusstsein ins Jetzt holt. Zufriedenheit bedeutet Stillstand. Kunst ist keine Demokratie. Was dich einzigartig macht, ist deine Perspektive auf die Dinge. Ein Album ist immer auch ein Querschnitt aus dem eigenen Leben. Am Ende stehst du morgens auf und Wasser wird immer Wasser bleiben.

Bourani macht Popmusik, die der Altersempfehlung auf Gesellschaftsspielen entspricht: von 9 bis 99 Jahren. Irgendwas zwischen Xavier Naidoo und Tim Bendzko, mit Streichern, Akustikgitarre und eingängigen Melodien. Für solche Songs ­wurde die Hot Rotation im Radio erfunden. Das muss einem nicht gefallen. Aber wenigstens gefällt es ihm selbst. Rock-Pop-Bands, die hymnische Songs schreiben, ­haben ihn immer beeinflusst. Grönemeyer, Nena, Lindenberg. Police, U2, Coldplay. Und die großen Diven: Céline Dion, ­Mariah Carey, Whitney Houston. Ich glaube, sagt er, dass man sich seine Kunst nicht aussuchen kann, weil man sich die Person, die man ist, auch nicht ausgesucht hat.

Bourani – 1983 geboren in Augsburg, nord­afrikanische Wurzeln, aufgewachsen bei Adoptiveltern – besuchte die musische Schule, sang im Knabenchor und bei Opernaufführungen im Augsburger Staatstheater. Kurz vor dem Abi schmiss er die Schule, zog nach München, 2008 nach Berlin. Er wohnt immer noch in seiner ersten Wohnung in Pankow. Allein. Wenn ich arbeite, sagt er, möchte ich nicht unterbrochen werden, weil jemand ins Zimmer kommt und fragt, ob noch Käse übrig ist. Das kann ich überhaupt nicht haben. Mittlerweile wissen auch die Nachbarn, wer er ist. Und freuen sich, dass die Kinder so gut schlafen, wenn er zu Hause seine Songs übt.

Am meisten hat mich an Popmusik immer inspiriert, sagt Bourani, in kurzer Zeit ein Gefühl oder ein Thema auf den Punkt zu bringen, und zwar so, dass man es nachvollziehen kann. Das Thema, das sich durch sein Werk zieht, ist Optimismus. „Hier geht jeder für jeden durchs Feuer / Im Regen stehen wir niemals allein / Und solange unsere Herzen uns steuern / Wird das auch immer so sein“, heißt es im WM-Song „Auf uns“. „Hey, sei nicht so hart zu dir selbst / es ist o. k., wenn du fällst / auch wenn alles zerbricht / geht es weiter für dich“ in „Hey“, einem Stück auf seinem gleichnamigen aktuellen Album. Es geht mir nicht darum, immer gute Laune zu haben, sagt Bourani, das verachte ich. Aber ich bin ein hoffnungsloser Gutmensch und versuche immer, den Blick aufs Gute zu richten, auch im Schlechten. Und obwohl seine Lieder eh schon vor Optimismus strotzen, nutzt er gerne die Reprise vom Chorus, um noch eine Portion Alles-wirdschon-wieder draufzusetzen, als würde man Süßstoff in den Kirschjoghurt kippen. Davon kann einem schon auch mal schlecht werden. „Ich geb dich frei / Ich werd dich lieben / Bist ein Teil von mir geblieben“, singt er in „Auf anderen Wegen“. Oder in „Wunder“, von „Staub & Fantasie“, seinem ersten Album: „Du hast die Welt in deiner Hand / Trag sie mit Liebe und Verstand.“

Im Grunde, sagt Bourani, ist das nichts anderes als Pathos, die große Geste – und das liebe ich. Er beginnt viele seiner Sätze so: Im Grunde … Vielleicht liegt es daran, dass er ständig versucht, sich zu erklären, wie das Leben funktioniert. Ich bin ein nachdenklicher Mensch, sagt er. Und: Das ist etwas, was man sich nicht aussucht. Er schaut auf die Wiese, die von großen Bäumen gesäumt ist. Es gibt Menschen, sagt er, die denken darüber nach, warum mir der Baum hier Schatten gibt. Ich denke: Warum kann ich überhaupt darüber nachdenken, dass er mir Schatten gibt?

Seit Bouranis großer Traum in Erfüllung gegangen ist, hat er weniger Zeit. Für gemeinsame Abende mit seinen Freunden, die ihn zu seinem Hit „Auf uns“ inspirierten. Für Ausflüge in die Natur und Gedanken über Bäume. Aber, sagt er, ich weiß auch, dass ich mir die Zeit dafür irgendwann wieder nehmen werde. Bis dahin genießt er seinen Erfolg. Und erinnert sich daran, dass es keinen Grund gibt, sich selbst zu bemitleiden. Denn, hey: das Leben ist schließlich großartig! Im Grunde, sagt er, ist es mein Ziel, irgendwann mal sechs Alben zu haben und dann zurückzublicken und zu sagen, ich habe die Vielfalt des Lebens aus meiner Perspektive festgehalten.

Nach knapp zwei Stunden kommt ein kleiner, blonder Junge in Begleitung seines Vaters zum Tisch. Entschuldigung, du bist doch Andreas Bourani, oder? Ich bin totaler Fan. Der Vater hat die Handykamera gezückt, Bourani kniet sich neben den Jungen. Kein Problem, wie heißt du? Isaac. Klick. Und was trägst du da für ein Fußballtrikot? Türkei. Mit der Trophäe im Handy ziehen Vater und Sohn strahlend ab. Und Bourani hat das getan, was er am liebsten tut: jemanden glücklich machen.

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